Der Ruf
Istán hat einen besonders interessanten Hintergrund. Denn seine abgeschiedene Lage ca. 15 km landeinwärts von Marbella ist auf den maurischen Ursprung dieses Ortes zurückzuführen. Zwar mag es für manche schwer vorstellbar sein, dass man bei einer Distanz von nur 15 km zu einem der renommiertesten Küstenorte der Costa del Sol von Abgeschiedenheit sprechen kann, aber wenn man erst einmal die kurvige Bergstraße gesehen hat, die nach Istán führt, relativiert sich dieser Eindruck sehr schnell. Nach der Rückeroberung Spaniens durch die Christen im 15. Jahrhundert wurden fast alle maurischen Siedlungen an der Küste zerstört, nur im Landesinneren blieben einige erhalten, und Istán länger und besser als andere.
Somit ist Istán ein sehr altes Dorf, und, obwohl außer einem halb zerfallenen Minarett nichts mehr von den maurischen Wurzeln übriggeblieben ist, ist die Vergangenheit und Geschichte an diesem betörenden Ort überall zu spüren. Und dann ist da noch die Umgebung, die ganz besondere Lebensart, die Abgeschiedenheit und entspannte Atmosphäre... Ja, Istán ist einzigartig und mit keinem anderen Ort an der Costa del Sol zu vergleichen.
Die Realität
Das ist also der Ruf von Istán – und die Wirklichkeit wird diesem voll und ganz gerecht. Wenn Sie den stockenden Verkehr der N-340 auf Höhe des Hotels Puente Romano verlassen und Richtung Landesinnere fahren, erreichen Sie bald, nachdem Sie die dichte Bebauung der Küste hinter sich gelassen haben, den Stausee „Embalse de la Concepción“, der einen Großteil der Costa del Sol mit Wasser versorgt. Die Straßen werden so kurvig und eng, dass es einem fast schwindlig davon wird. Menschen mit Höhenangst sollten auf dieser Straße, die hoch in die Berge führt, lieber geradeaus schauen.
Und plötzlich taucht wie aus dem Nichts die letzte Kurve auf und gibt den Blick auf Istán frei, wo man weit weg vom Treiben der Massen ruhig seinen Geschäften nachgeht. Es ist nicht sehr sinnvoll, mit dem Auto durch Istán zu fahren. Die Straßen wurden vor Jahrhunderten für Pferde und Kutschen gebaut und sind unglaublich eng und steil. Überall findet man verwunschene enge Gässchen, die von den typisch weißen Häusern gesäumt sind, umgeben von Bergrücken, die unter der glühenden spanischen Sonne zum Greifen nah erscheinen. Nicht einmal das Wort „zeitlos“ wird diesem Szenario gerecht, das den Besucher demütig werden und direkt an lebendiger Geschichte teilhaben lässt.
Bei Tag
Das Leben in Istán spielt sich mit einer gewissen Trägheit ab, die an Faultiere oder zumindest dicke gemütliche Hauskatzen erinnert. Man kennt keine Eile und die Siesta ist hier noch das, was sie sein soll: gesellschaftlich akzeptiert, sehnsüchtig erwartet und hoch geschätzt. Dabei lässt sich nicht behaupten, dass es nichts zu tun gibt, denn eigentlich kann der geneigte Einwohner von Istán den ganzen Tag mit Aktivitäten vollstopfen, auf die jeder Großstadtmensch nur neidisch sein kann.
Beginnen wir beim Frühstück, welches wahlweise auf der eigenen Terrasse (mit frischen Produkten aus der Nachbarschaft), in den Cafés im Ort oder überall sonst eingenommen werden kann, begleitet vom Hintergrundgeräusch des stetigen Plätscherns der Dorfbrunnen. Füllen Sie ruhig Ihre Flasche mit frischem Brunnenwasser, bevor Sie zu einer Wanderung durch die verlassenen Zitronenhaine aufbrechen, welche Sie bergab zum Stausee führen und wo die Stille nur hin und wieder vom Gebell der Bauernhunde und vom Zirpen der Heuschrecken unterbrochen wird. Eine solche Wanderung wird sicherlich Ihren Appetit wecken, der Sie auf schnellstem Wege ins Dorf zurückkehren lässt, um dort die exzellenten und günstigen Tapas in einer der vielen schattigen Bodegas zu genießen.
Bei Nacht
Nach verrichteter Arbeit und einer ausgedehnten Siesta wird der Sonnenuntergang den zweiten Teil des täglichen Lebens in Istán einleiten. Während die intensive Hitze des Tages dazu führt, dass die Einheimischen viele Stunden des Tages nur auf Sparflamme verbringen, scheint das Einsetzen der Dämmerung ihr Temperament zu befeuern. Als Erstes erfolgt der in Spanien so übliche Restaurantbesuch, und Sie haben die Qual der Wahl zwischen den vielen empfehlenswerten Gasthäusern, wie dem Troyano, Entresierras, Las Harales oder Rincón de Curro, wo Sie ein ausgedehntes Abendessen erwartet, dass sich leicht bis Mitternacht hinziehen kann.
Danach empfiehlt es sich, einen Tisch auf einem der malerischen Dorfplätze zu ergattern, die überall im Ort verteilt sind, und dort in angenehmer Atmosphäre einen der lokalen Sherrys, ein eiskaltes Bier oder ein samtiges Glas Wein unter dem Sternenhimmel zu genießen. Hierbei sind Sie von vielen Einheimischen umgeben – von denen einige nie über die Ortsgrenzen von Istán hinausgekommen sind – aber auch von erst kürzlich zugezogenen Ausländern. Alle erfreuen sich an denselben einfachen Dingen: dem gutem Essen, der guten Gesellschaft, der herzlichen Wärme, der schönen Umgebung und der entspanntesten Atmosphäre schlechthin.
By journalist, editor and former Costa del Sol resident, Ian Clover.